Mascha Jacoby, M.A.
Die Suche nach dem „Dritten Weg“: Neue Linke und chinesische Kulturrevolution
In den 1960er Jahren entstanden weltweit Befreiungs- und Protestbewegungen, die sich auf die Ideen Mao Zedongs und insbesondere die chinesische Kulturrevolution (1966 – 1976) bezogen. Auf der Suche nach einem „Dritten Weg“, einer Alternative zu westlichem Kapitalismus und sowjetischem Sozialismus zur Zeit des Kalten Krieges, stieß auch die westdeutsche Neue Linke auf das chinesische Vorbild. Die Kulturrevolution wurde zur Projektionsfläche für verschiedene linke Aktivisten, Gruppierungen, Parteien und linksterroristische Vereinigungen. Nach dem Abklingen der vornehmlich antiautoritären Studentenbewegung 1968 bildete sich ein radikaler Partei- und Bewegungsmaoismus. Die K-Gruppen, maoistische Kaderparteien, folgten der Linie der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) und rechtfertigten größtenteils die „revolutionäre Gewalt“ während der Kulturrevolution. Auf Einladung der KPCh reisten mehrere Delegationen westdeutscher Maoisten in den 1970er Jahren nach China.
Das Dissertationsprojekt widmet sich diesen ideologischen, politischen und personellen Austauschprozessen. In einem ersten Schritt wird der Einfluss der Kulturrevolution auf verschiedene Akteure der '68er-Bewegung erforscht. Darauf aufbauend werden die Reiserouten sowie die direkten Interaktionen von Schlüsselfiguren der ML-Bewegung und chinesischen Akteuren verfolgt. Den chinesischen Wahrnehmungen der westdeutschen Bewegung und ihrer Netzwerke gilt ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit. Ziel ist, diesen bislang nur in Ansätzen aufgearbeiteten Bestandteil der westdeutsch-chinesischen Transfergeschichte zwischen 1960 bis 1980 anhand von Archivalien, schriftlichen Darstellungen und Interviews mit deutschen sowie mit chinesischen Akteuren zu rekonstruieren.
Kontakt: mascha.jacoby"AT"uni-hamburg.de