Förderung durch die DFGNeues Drittmittelprojekt von Dr. Christian Strümpell"Psychosoziale Stressoren und Bangladeschs Textilindustrie: Eine ethno-epidemiologische Studie zu Ursachen und Folgen"
6. Juni 2018, von Zsuzsa Becker
Leitung: Dr. Christian Strümpell (Institut für Ethnologie), PD Dr. Adrian Loerbroks (U Düsseldorf)
Laufzeit: 2018-2021
Bangladesch ist einer der Hauptproduzenten von Konfektionskleidung für Europa. Es wird allgemein angenommen, dass sich der Druck die Produktionskosten gering zu halten, nachteilig auf die psychosozialen Arbeitsbedingungen und die Gesundheit der Textilarbeiter/innen auswirkt. Die Evidenz hierfür ist jedoch äußerst begrenzt. Eine spezielle Herausforderung derartiger Studien stellt die Erfassung von Arbeitsstress dar: Seit den 1980ern wurden theoretische Arbeitsstressmodelle entwickelt, die sich an den damals in westlichen Ländern vorherrschenden Arbeitsbedingungen orientierten. Die Verwendung dieser Modelle in anderen Arbeitskontexten scheint methodologisch problematisch.
Die Studie verfolgt vier Ziele:
1) die Einbettung von Bangladeschs Bekleidungsindustrie in globale Strukturen und Netzwerke aufzuzeigen,
2) die Identifikation von Stressoren außerhalb des Arbeitskontexts, die Arbeitsstress und eine schlechte Gesundheit bedingen,
3.1) die Untersuchung mögliche nachteiliger/positiver gesundheitlicher Auswirkungen von sozialen Beziehungen in Textilfabriken und
3.2) die Replikation und das verbesserte Verständnis spezifischer epidemiologischer Befunde unseres Vorgängerprojektes (d.h. den Zusammenhang zwischen günstigen Beförderungsaussichten und höheren Haarkortisolwerten).
Die ethnologische Feldforschung erfolgt größtenteils in und um drei Textilfabriken in Narayanganj, Bangladesch (ca. 1.800 Arbeiter/innen). Das ethnologische Projekt wird sich mittels informeller Interviews mit Schlüsselfiguren in Bangladeschs Textilsektor und langfristiger teilnehmender Beobachtung in den Textilfabriken und Arbeitersiedlungen mit den Zielen 1-3.1 befassen. Aufbauend auf diesen Ergebnissen wird eine epidemiologische Studie durchgeführt, die sich auf standardisierte Interviews mit den Beschäftigten und auf Kortisolmessungen stützt. Diese Daten werden ermöglichen, Zusammenhänge von Stressoren außerhalb des Arbeitskontextes, sozialer Kontakte am Arbeitsplatz und Beförderungsaussichten mit selbstberichteten Gesundheitsparametern und Kortisol zu untersuchen (Ziel 2-3.2).
Die Studie wird ein nuanciertes Verständnis der historisch bedingten globalen und lokalen Strukturen und Beziehungen ermöglichen, durch die Arbeitsbedingungen in Bangladeschs Textilindustrie produziert werden. Die Befunde zu den möglichen Stressoren außerhalb des Arbeitskontextes und zum Einfluss sozialer Beziehungen am Arbeitsplatz haben politische Relevanz und können zur Entwicklung von Interventionen beitragen (in Bangladesch bzw. importierenden Ländern), die die Arbeitsbedingungen verbessern. Weiterhin ermöglicht sie ein verbessertes Verständnis der gesundheitlichen Auswirkungen betrieblicher Beförderungen in der gegenwärtigen Arbeitswelt. Letzteres könnte ein universeller Befund sein, d.h. mit Implikationen über Bangladeschs Textilsektor hinaus.