Gender Lectures IV: Gender & Gewalt
Wintersemester 15/16
Gender Lectures IV - Gender und Gewalt
Die Ausübung von (Waffen-)Gewalt ist gemeinhin männlich konnotiert. Frauen hingegen nehmen meist die Opferrolle ein. Doch ist das wirklich so? Gibt es Unterschiede zwischen den Geschlechtern, wenn Gewalt in unterschiedlichen Formen ausgeübt wird – als körperliche, sexualisierte, psychische, ökonomische oder soziale Gewalt? Der vierte Teil der Gender Lectures wird sich, dieses Mal in Form einiger ausgewählter Vorträge, dem Themenfeld von Gewalterfahrungen und Gewaltakten aus geschlechterspezifischer Perspektive widmen. Dabei sollen die Ursachen und Folgen von Gewaltgeschehen ebenso wie die Täter-Opfer-Beziehungen auf Geschlechterordnungen und Machtstrategien hin befragt werden.
Prof. Dr. Jürgen Martschukat/Universität Erfurt
»For combat, you have to be ready, and I was«: Waffengewalt und die Remaskulinisierung Amerikas in den 1980er Jahren
Mittwoch, 28. Oktober 2015, 18-20 Uhr
Edmund-Siemers-Allee 1 (Hauptgebäude), Hörsaal H
Der Vortrag wird Waffengewalt, Männlichkeit und Konzepte von Selbstverteidigung in den USA zueinander in Beziehung setzen. Die Ausführungen werden um den Fall Bernhard H. Goetz kreisen, der am 22. Dezember 1984 in der New Yorker U-Bahn vier afroamerikanische Jugendliche niederschoss, nachdem sie von ihm fünf Dollar gefordert hatten. Goetz berief sich vor Gericht auf sein Recht zur Selbstverteidigung, wurde letztlich nur wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz zu einer halbjährigen Haftstrafe verurteilt und öffentlich als »Subway Vigilante« gefeiert.
Der Vortrag wird den Fall Goetz zunächst aus einer Weitwinkelperspektive betrachten und in die Geschichte des Verhältnisses von Männlichkeit und Gewalt in den USA seit dem 19. Jahrhundert einbinden. Vor allem aber soll der Fall Goetz dann in einer Nahaufnahme in den Kontext der US-amerikanischen Dynamiken von gender und race in den 1970er und 1980er Jahren eingebunden werden.
Prof. Dr. Silke Segler-Meßner/Universität Hamburg
Gewalt erleben und erzählen: die Genderperspektive in Überlebenszeugnissen französischer Résistance-Kämpfer und ‑Kämpferinnen nach 1945
Mittwoch, 25. November 2015 , 18-20 Uhr
Edmund-Siemers-Allee 1 (Hauptgebäude), Hörsaal H
Angesichts der zahllosen Publikationen zu den europäischen Erinnerungskulturen und insbesondere zur Shoah fällt auf, dass der Aspekt genderspezifischer Wahrnehmungs- und Darstellungsmuster in Texten von Überlebenden bislang nur marginal berücksichtigt wurde. Innerhalb der Forschung dominieren oftmals die Stimmen von Autoren wie Primo Levi, Imre Kertész, Elie Wiesel oder Robert Antelme, die als Referenzen für philosophisch oder kulturwissenschaftlich motivierte Fragestellungen angeführt werden. Neben dieser rein quantitativen Vernachlässigung von Texten weiblicher Überlebender wird auch die Frage des Geschlechts im Erleben der in deutschen Konzentrationslagern erlittenen Gewalt oftmals nur am Rande erwähnt oder in Form generalisierender Bewertungen thematisiert. In ihren Ausführungen wird Prof. Dr. Silke Segler-Meßner den Zusammenhang von Gewalt, Gender und Erzählen am Beispiel zweier Zeugnisse französischer Widerstandskämpfer_innen erörtern und im Hinblick auf die jeweiligen Darstellungsstrategien analysieren: Charlotte Delbo schilderte ihre Deportation in das Vernichtungslager Auschwitz, in dem sie circa ein Jahr verbracht hat, bevor sie nach Ravensbrück verlegt worden ist. Robert Antelme berichtete von seiner Ankunft in Buchenwald und seiner Gefangenschaft im Außenlager Gandersheim.
Prof. Dr. Anja Tippner/ Universität Hamburg
Die Partisanin: Narrative weiblicher Gewalt und Opferbereitschaft in der Sowjetunion
Mittwoch, 13. Januar 2015, 18-20 Uhr
Edmund-Siemers-Allee 1 (Hauptgebäude), Hörsaal H
Die russische Literatur hat seit dem Ausbruch des II. Weltkriegs eine Vielzahl von Bildern, Filmen und Erzählungen über weibliche Kriegsheldinnen hervorgebracht. Viele dieser z.T. bis heute noch verehrten Figuren – wie Zoja Kosmodem’janskaja, Liza Čajkina oder Zinaida Portnova – waren Partisaninnen. Diese Teenager und jungen Frauen fungierten als Rollenvorbild und Inspiration für Generationen sowjetischer Mädchen. Der Vortrag wird sich v.a. auf die Figur von Zoja Kosmodem’janskaja konzentrieren, deren Kampfbereitschaft und gewaltsamer Tod bereits während des Krieges zu einem sowjetischen Mythos ausgebaut wurden. Der Vortrag wird zeigen, wie im Partisaninnen-Mythos christliche Märtyrermotive, sowjetische Genderkonzepte und Kriegspropaganda eine Symbiose eingehen und ein neues Narrativ von Weiblichkeit und Gewalt konstituieren.